PM: Erzieher/in verzweifelt gesucht

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Viele Kitas in Rheinland-Pfalz suchen händeringend nach Personal. Anders als angekündigt hat sich die Situation vielerorts durch das „Kita-Zukunftsgesetz“ der Ampel-Landesregierung nicht gebessert. Und in der Coronakrise sehen sich viele Einrichtungen als fünftes Rad am Wagen. Wir sprachen mit Kita-Experten aus Verbänden und Politik.

„Heute ist ein guter Tag für Erzieherinnen und Erzieher, die Eltern und vor allem unsere Kleinsten in den Kitas“, schwärmte Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) bei der Verabschiedung des „Kita-Zukunftsgesetzes“ im Landtag. Das war vor mehr als zwei Jahren. Kernstück: Eine durchgängige siebenstündige Betreuung samt Mittagessen, ein sogenanntes „Sozialraumbudget“ für spezielle Förderkräfte und eine Umstellung der Personalberechnung mit einem „verbesserten“ Personalschlüssel. Im vergangenen Sommer trat das Gesetz in Rheinland-Pfalz vollständig in Kraft. Doch von Verbesserung spüren viele Kitas nichts, im Gegenteil.

Der Personalmangel an den rheinland-pfälzischen Kitas ist ungebrochen, berichtet Claudia Theobald, Vorsitzende des Kita-Fachkräfteverbandes. Von den rund 270 Kitas in Rheinland-Pfalz seien wesentlich mehr unterbesetzt denn in Vollbesetzung, weiß die Pfälzerin, auch aus eigener Erfahrung. Bei ihrer Kita seien 2, 25 Stellen nicht besetzt, im Januar käme eine Dreiviertelstelle dazu, dann seien es noch 1,5 Kräfte, die fehlten. Der Personalmangel in den Kitas führe dazu, dass Betreuungszeiten teils nicht mehr verlässlich seien, Kitas kürzer geöffnet seien. Teils gebe es einen Eingewöhnungs- oder sogar Aufnahmestopp. Verantwortung wolle da mancher nicht mehr übernehmen. Sie alleine kenne drei Fälle, in denen Leiterinnen wegen gekürzter Deputate die Leitung abgegeben hätten.  Etwa ein Drittel der Erzieherinnen und Erzieher, so Theobald, gehe in den kommenden Jahren in den Ruhestand. Wenn die Landesregierung erkläre, die Ausbildungskapazitäten seien verdoppelt worden, dann wolle sie gerne wissen: Was heißt das in absoluten Zahlen?

Was das „Kita-Zukunftsgesetz“ betrifft, so ist dies vielerorts mehr Schein als Sein, ist den Ausführungen des Kita-Fachverbands zu entnehmen. Manche Kita setze die Mittagsverpflegung unter „gruseligen Bedingungen“ um. Wenn in einer Kita beispielsweise zum Mittagessen Tische von einem Raum in den anderen getragen würden und anschließend wieder zurück, so könne dies doch nur eine Notlösung sein, sagt Claudia Theobald. Baulich schafften es viele Kitas noch nicht, die Gesetzesvorgaben umzusetzen.

Der Kita-Experte der CDU-Landtagsfraktion, Thomas Barth, urteilt über das Kita-Gesetz, das im Sommer in Kraft trat: „Das Gesetz wurde von Juristen für Eltern gemacht.“ Es fehle der pädagogische Blick auf die Kinder. Der Pflegeaufwand in den Kitas sei gestiegen und es sei bekannt, dass immer mehr Kinder mit sozialen Auffälligkeiten in die Kindergärten kämen. Das Mittagessen sei eine „Mogelpackung“ und von vielen Kitas nur sehr schwer umzusetzen. Die Infrastruktur fehle oft und die Träger blieben auf den Kosten sitzen. Ein weiterer Geburtsfehler ist seiner Meinung nach die geänderte Alterskohortierung, das heißt Zweijährige wurden den „Regelkindern“ zugeordnet, der besondere Betreuungsaufwand für diese Altersgruppe aber nicht angemessen berücksichtigt.

Thomas Barth sagt, in seinem Landkreis (Mainz-Bingen) bedeute der neue Personalschlüssel mehr Personal für die Kitas. Nur: „Der Markt ist praktisch leergefegt.“ Aus seiner Sicht müsse man die Erzieherinnenausbildung auf neue Füße stellen, denn das Berufsbild habe sich sehr gewandelt. Denkbar sei eine Schwerpunktbildung schon in der Ausbildung auf motorische, sprachliche oder musische Förderung. In Dänemark sei dies schon gang und gäbe.  

Die Kita gGmbH aus Trier hatte unlängst mit einem Brandbrief an Ministerium, Jugendämter und Kirchengemeinden die Diskussion befeuert. Rund 200 Stellen in den 151 Kitas der Einrichtung seien unbesetzt, hieß es darin. Das Kita-Gesetz verschärfe den Fachkräftemangel noch. Sowohl Öffnungszeiten als auch pädagogische Angebote müssten eingeschränkt werden. Die berufstätigen Eltern müssten dann dafür sorgen, dass sie ihre Kinder früher abholen oder anderweitig betreuen.

Die Corona-Krise hat die Situation an den Kitas nicht besser gemacht. Die Kindergärten und ihre Beschäftigten haben das Gefühl, das fünfte Rad am Wagen zu sein, obwohl Erzieher die mit am häufigsten von Infektionen betroffene Berufsgruppe sind. Es gebe vom Land keine verbindliche Vorgaben, heißt es vom Kita-Fachkräfteverband. Weder bei den Themen Kontaktbeschränkung, noch bei Tests oder Luftfiltern. Wenn das Landessozialamt sage, man möge kleinere Gruppen bilden, aber nur wenn die Öffnungszeiten gewährleistet blieben, dann sei das schlicht scheinheilig, so Theobald.

 

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